Rede von Viktor Orbán auf der Besprechung der Leiter der ungarischen Außenvertretungen

Budapest, 29. Februar 2016

Ich befinde mich in einer relativ einfachen Situation, da meine heutige Rede ruhig einen langweilig-technokratischen Charakter haben darf. Im Hinblick darauf, dass durch die glückliche zeitliche Nähe der beiden Ereignisse ich die wichtigsten Punkte der Grundausrichtung der ungarischen nationalen Außenpolitik gerade gestern im Rahmen meiner 18. Rede zur Lage der Nation, d.h. in meiner gewohnten, das vergangene Jahr evaluierenden Rede ausführen konnte, besteht keine Notwendigkeit, das Gesagte zu wiederholen. Und es wäre auch eine peinliche Sache, wenn man innerhalb von 24 Stunden in Widerspruch mit sich selbst geriete, wofür die Gefahr im Rahmen einer frei gehaltenen Rede durchaus besteht. Ich werde also, wenn Sie es erlauben, darüber, worüber ich gestern schon gesprochen habe, jetzt hier nicht reden. Ich glaube, so weit man in außenpolitischen Fragen klar sprechen kann, so ist es mir gestern bis zu diesem Maße gelungen, offen und ehrlich zu sprechen.

Worüber ich hier zunächst sprechen werde, ist das Ministerium selbst. Wir haben 2014 im Leben der Ministerien wenige solcher grundlegender Veränderungen begonnen wie im Falle des Außenministeriums. Hinsichtlich der anderen Ministerien waren diese Veränderungen im Wesentlichen bereits 2010 geschehen, die natürlich Korrekturen und Adjustierungen nach der Wahl von 2014 nicht überflüssig machten, doch betrafen bzw. bedeuteten sie keine wesentlichen Dinge, sagen wir keine Funktionsbestimmung oder eine grundlegend neue Struktur. Die Ausnahme hiervon war das Außenministerium, doch dem konnte es auch nicht anders sein, denn mit der Leitung von Herrn Minister János Martonyi – den ich auch auf diesem Wege begrüße – konnten wir auch nichts anderes tun, und konnten uns selbst kein höheres Ziel stecken, als dass die im Jahre 2010 auf den anderen Gebieten begonnenen Veränderungen im internationalen Raum zu verteidigen. Wir konnten keinerlei andere Erwartung haben, es war logisch, dass all das, was wir Zuhause machen – Verfassungsänderung, Wirtschaftspolitik, das Nachhauseschicken des IWF und ich könnte noch weiter aufzählen –, auf irgendeine Weise nach außen erklärt, gedeutet und die ungarischen Positionen verteidigt werden mussten. Aus diesem Grunde blieb also die strukturelle Umformung des Außenministeriums auf logische Weise bis zum Jahr 2014. Da haben wir einen Beschluss gefasst, und zwar gar keinen gewöhnlichen. Ich will jetzt noch nicht darauf eingehen, ob er klug war, aber er war auf jeden Fall gewagt, denn er bedeutete einen recht ernsthaften Bruch mit den ungarischen Traditionen der Steuerung des ungarischen außenpolitischen Denkens und der der Außenpolitik. Ich will nicht sagen, dass diese beiseite geschoben wurden, doch war eine Linie unterbrochen.

Es hat schon immer zur Selbstbestimmung des ungarischen Außenministeriums gehört, dass die vielleicht am höchsten qualifizierten Fachleute der ungarischen öffentlichen Verwaltung hier zu finden sind, im Hinblick darauf, dass sie nicht einfach nur über ein Fachwissen verfügen, sondern in der Lage sind, dieses Fachwissen und diese Qualifiziertheit in verschiedenen Sprachen, in verschiedenen Relationen zu vertreten und zu verteidigen. Wir hatten auch 2014 nicht vorgeschlagen, mit dieser Tradition zu brechen, mit der Tradition, dass es hier hoch qualifizierte Menschen gibt, es war also nicht das Ziel der Veränderung, das intellektuelle Niveau des Außenministeriums zu senken, sondern im Gegenteil dazu war es das Ziel der Umwandlung, etwas hinzuzufügen, ja eine neue Aufgabe davor mit aufzunehmen, während wir dies zu bewahren suchen. Und hier geht es darum, dass wir alle es sehen – ich nehme an, die vergangenen ein-zwei Jahre haben das auch Ihnen bewiesen –, dass der heftigste Wettlauf in den Sie aufnehmenden Staaten nicht um den Titel „Wer ist der klügste?”, sondern um den Titel „Wer kann die meisten Geschäfte abschließen” geführt wird. Und wir können diesem Wettlauf ganz einfach aus dem Grunde nicht fernbleiben, weil Ungarn nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge ein Land mit 10 Millionen Einwohnern ist, und ein Land mit 10 Millionen Einwohnern ist, wenn es nur für seinen eigenen Binnenmarkt produziert, nicht in der Lage seinen Bürgern solch ein Niveau, solch eine Lebensqualität und solch ein Lebensniveau zu sichern, an das sich die Ungarn im Übrigen im Laufe der vergangenen 150 Jahre gewöhnt haben, und das sie von sich und von ihrer Heimat erwarten. Wir können also nur dann das Land auf die Weise führen, dass es den auf die historischen Wurzeln zurückzuführenden ungarischen Lebensansprüchen und der Lebensweise sowie dem Lebensniveau entspricht, diese befriedigt, wenn Ungarn über seine eigenen Märkte hinaus auch auf dem internationalen Markt erfolgreich ist. Und hierzu bedarf es eines Ortes, das heißt, damit wir erfolgreich sein können, dazu bedarf es eines Ortes, wo die Aufgaben systematisiert, durchdacht, verteilt, ihre Verwirklichung unterstützt, danach nachgefragt, kontrolliert werden, ihre Einhaltung beobachtet wird.

In der ungarischen öffentlichen Verwaltung gab es schon seit sehr langen Zeiten eine Diskussion darüber, wo dieser Ort sein sollte. Ich habe in dieser Hinsicht viel von János Martonyi gelernt, noch im Jahre 1998, als wir das erste Mal zu bestimmen versuchten, wo im System der Organisation der ungarischen Staatsverwaltung der Außenhandel, die Exportpolitik im Allgemeinen, die Unterstützung und Leitung der im Allgemeinen aus dem Ausland kommenden Investitionen ihren Platz finden sollte. So habe ich, so haben wir nicht nur mit Hilfe der Bücher, sondern auch durch die Praxis unsere Lektion gelernt, und schließlich bin ich als Ergebnis von acht Jahren Regierungsverantwortung darauf gekommen, dass es am besten ist, wenn dieser Ort sich im Außenministerium befindet. Dies stimmte im Übrigen mit dem überein, was János Martonyi auch immer selbst vertreten hatte, sicherlich nicht unabhängig davon, dass er sich auch schon früher – auf Grund seiner Vorbildung und seines Fachwissens – mit diesem Gebiet beschäftigt hatte, doch waren weder er noch ich stark genug – über die Frage, wie stark ein Ministerpräsident innerhalb einer Regierung ist, möge jetzt mildtätiges Zweilicht bleiben –, wir beide waren nicht stark genug, so hört sich das vielleicht besser an, um klare Verhältnisse zu schaffen. Und wenn auch die Funktionen an das Außenministerium gingen, so sind die Mittel nicht dorthin gekommen. Wenn das Diplomatennetz, also die Fachdiplomaten dorthin gekommen sind, dann kam deren Leitung nicht dorthin, also haben wir genug mit der Beantwortung dieser Frage gelitten, und wir waren ganz bis 2014 auch nicht wirklich erfolgreich, als es uns gelang, klare Verhältnisse zu schaffen, und mit einem großen Schwung – sicherlich auch mit Hilfe des Hereinhebens einer jungen Generation – haben wir ein neues Kapitel geöffnet und das Organisationssystem des Außenministeriums umgeformt und seine Aufgaben neu festgelegt.

Hierüber kann man immer diskutieren und wir werden, so lange wir leben, auch diskutieren, ob dies so in Ordnung ist, ob man daran etwas berichtigen müsste, ob dies die richtige Bestimmung des der ungarischen Außenpolitik dienenden Ministeriums sei. Selbstverständlich möchte ich niemand von solchen Diskussionen abhalten, denn gerade die kontinuierliche Selbstreflexion und Selbstbewertung sind eine bedeutende Quelle der ungarischen geistigen Leistungen, also ist dies in Ordnung. Dabei möchte ich einen jeden beruhigen, dass zwar solch eine Arbeit auch vom Amt des Ministerpräsidenten und anderen leitenden Mitgliedern der Regierung versehen wird, so folgt hieraus noch kein Richtungswechsel, denn am meisten müssen wir uns an die Tatsachen und die Zahlen halten. Und wenn wir uns anschauen, wie die ungarische Exportleistung aussieht, wenn wir uns anschauen, wie die nach Ungarn kommenden Investitionen aussehen, wenn wir uns anschauen, welche Ergebnisse die sich hiermit beschäftigenden ungarischen Agenturen, Organisationen, Handelshäuser und andere, mit anderen Worten die an das jetzige Außenministerium angeschlossenen Teile aufweisen, dann können wir zwar natürlich noch nicht mit dem Ergebnis zufrieden sein, doch geben die Ergebnisse Anlass zur Hoffnung. Ja, nicht nur das, wir sehen auch ganz ausgezeichnete Ergebnisse. Gerade jetzt haben wir mit dem Herrn Außenminister die Zahlen überblickt, und aus diesen geht hervor, dass allein im vergangenen Jahr der ungarische Export um 7,4 % gestiegen ist. Hierzu ist natürlich eine Warengrundlage nötig, und es muss in Ungarn arbeitende Fabriken geben, doch ist hierzu auch ein Markt, Verbindungen, die Finanzierung – welch alte Diskussion, wo denn die Eximbank sein soll –, also vieles nötig, und offensichtlich ist dies in dieser Exportdynamik vorhanden, dahinter steckt auch die Leistung der Garde des ungarischen Außenministeriums. Also erlauben Sie mir, uns allen meine Anerkennung für die auch in Zahlen ausdrückbaren, schönen Ergebnisse auszusprechen.

Eine ähnlich wichtige Sache ist es, dass die Adjustierung der nach Ungarn kommenden Investitionen in den Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums übergegangen ist. Und obwohl wir auch hier noch nicht das vollkommene Organisationssystem gefunden haben, obwohl der Herr Außenminister behauptet, dies sei ab dem 1. März im Grunde schon gelungen, doch da wir auch diesen Pudding noch nicht gegessen haben, können wir noch nicht wissen, ob er die Probe besteht, doch streben wir auch hier danach, ein möglichst lebensnahes, sich an die Logik und die Flexibilität des Geschäfts am schnellsten anpassungsfähige Organisationssystem zu schaffen. Und tatsächlich, wenn wir die Zahlen betrachten, dann kann das Ministerium auch hier eine Bestätigung für die Qualität seiner Arbeit bekommen, denn – Péter, er kennt die Zahlen genau – auch die nach Ungarn kommenden Investitionen haben Rekorde gebrochen. Ich werde ungefähre Zahlen nennen; wenn ich mich recht erinnere, dann sind bis Ende 2014 oder Mitte 2015 nach Ungarn seit dem Systemwechsel Investitionen in der Höhe von etwa 80 Milliarden Euro gekommen, und nur im letzten Jahr sind davon etwa 6 Milliarden hereingekommen. Dies zeigt sehr gut, wie erfolgreich innerhalb der Gesamtleistung von zwanzig-und-einigen Jahren das letzte Jahr war, und auf wie erfolgreiche Jahre wir in der Zukunft hoffen können. Und wir alle wissen inzwischen, dass die Investitionspolitik– entgegen der liberalen Annäherung, bei der es darum geht, dass wenn die Umstände günstig sind, dann werden auch die Investoren kommen – viel komplizierter ist, denn die Umstände müssen zwar gut sein, jedoch nur weil die Umstände gut sind, kommen die Investoren noch nicht. Die müssen gebracht werden, die muss man anspornen, man muss ihnen gut zureden, sie begeistern, überhaupt: Man muss mit ihnen in Kontakt stehen und es sind solche klaren Orientierungspunkte für sie notwendig, die die Voraussetzung für die sichere Investition in der modernen Welt sind.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das ist es, was ich über das Ministerium sagen wollte. Das heißt soviel wie: vorwärts!

Die zweite Frage, über die ich sprechen möchte, ist eine Angelegenheit der Europäischen Union. Ich werde kurz darüber sprechen, es ist eine sensible Frage, sie führt sehr weit, und wir sind hier nicht an der Akademie der Wissenschaften, wir werden nicht in der Lage sein, alle ihre Details bis zum Ende zu betrachten. Doch verstärken jedenfalls all jene Entwicklungen, die man heute in Europa beobachten kann – von der Migrantenkrise bis zu den wirtschaftlichen Fakten – deutlich erkennbar jene Kräfte, Kräfte und Länder innerhalb der Union, die schon seit langem, und jetzt besonders entschlossen sind, eine Art Kern-Europa zu erschaffen. Dies ist nicht identisch mit dem Gedanken vom Europa der zwei Geschwindigkeiten, hier besteht ein derartiges geistiges Tohuwabohu, dass man sich kaum auskennen kann. Hier wird es einmal vielleicht von Interesse sein, János Martonyi anzuhören, der in diesem intellektuellen Dschungel recht gut Bescheid weiß, welches Wort die Codesprache welcher politischen Absicht innerhalb der Europäischen Union ist. Auch ich brauchte lange Jahre, um dies zu erlernen. Doch jetzt sprechen wir nicht über das Europa der zwei Geschwindigkeiten, sondern wir sprechen darüber, ob die Europäische Union einen Kern haben wird, der jene Länder umfasst, die den Euro eingeführt haben, und die Folgerungen und Konsequenzen aus dieser Tatsache werden bis zum letzten weitergeführt, und es wird ein anderes Europa geben, das nicht im Kern enthalten sein wird, sondern sich außerhalb dessen erstreckt. Dies heißt im Klartext – übrigens logischerweise, aber für uns auf keine allzu vorteilhafte Weise–, wenn einmal eine Ländergruppe eine gemeinsame Währung einführt, dann wird es sehr schwer in der Wirtschaft auf die Weise erfolgreich zu sein, dass das staatliche Leben nicht die weiteren Unterpunkte der nationalen Souveränität hieran ausrichtet. Das heißt dass es kein gemeinsames Steuersystem, kein gemeinsames Rentensystem, kein gemeinsames Sozialsystem, ich könnte noch weiter aufzählen, was alles es nicht hat, also das, was wir dem Bereich der Haushaltswirtschaft zuordnen, sagen wir, das System des gemeinsamen Umgangs mit den Staatsschulden, muss sich auf irgendeine Weise früher oder später hinter und um das gemeinsame Geld herum ordnen. Im Übrigen werden das gemeinsame Geld und die anderen weiteren, nicht aufeinander abgestimmten wirtschaftspolitischen Elemente, die Geldpolitik und die mit ihr nicht abgestimmten wirtschaftspolitischen Elemente miteinander in Widerspruch geraten, und Probleme verursachen, wie wir das häufig innerhalb der Eurozone sehen können. Dies zu verhindern ist das natürliche Interesse der zu der Eurozone gehörenden Staaten, jedoch haben sie es bisher nicht geschafft, dieses Ziel zu erreichen. Hierfür gibt es zahlreiche Gründe, denn aus der ungarischen Perspektive ist es leicht einzusehen, dass wenn wir über das gemeinsame Geld hinaus auch die Steuerpolitik harmonisieren, auch den Umgang mit der Staatsverschuldung harmonisieren, auch unser Sozialsystem harmonisieren, dann bleibt die Frage, wodurch sind wir dann noch ein unabhängiger Staat? Denn wenn wir etwas harmonisieren, dann muss dessen Einhaltung auch kontrolliert werden. Dazu ist eine Institution, dazu ist eine Organisation, dazu sind Bürokraten notwendig. Man spürt, wie alle die Souveränität bedeutenden Zuständigkeitsbereiche langsam aus der Hauptstadt des jeweiligen Staates irgendwohin anders sich verlagern. Und verständlicherweise sind auf einem Kontinent, der letztlich doch der Kontinent souveräner und stolzer Nationen ist, nur sehr wenige Länder bereit, diesen Pfad zu betreten. Aus diesem Grunde pflegen wir zu sagen – während ein jeder weiß, dass irgendetwas dieser Art geschehen muss, wenn wir schon über eine gemeinsame Geldpolitik verfügen, das heißt jene haben sie, die drin sind in der Europäischen Union, dabei widerstehen die natürlichen nationalen Instinkte dieser rationalen Einsicht –, dass das Projekt Europa stecken geblieben ist. Dies sind das Endergebnis und die Folge dieser Situation. Jetzt jedoch habe ich den Eindruck, dass es derart viele Probleme – und auch Sie wissen, dass das Problem nicht nur eine Sorge bedeutet, sondern das Problem stellt auch immer eine Chance dar – innerhalb der Europäischen Union gibt, dass sich auch schon mehrere Länder viel ernsthafter als bisher mit dem Gedanken angefreundet haben oder dabei sind, sich anzufreunden, dass man nach dem gemeinsamen Geld eventuell auch eine tiefere Integration ins Leben rufen könnte. Dies stellt uns, dies stellt ein jedes Land, das nicht Mitglied der Eurozone ist, vor eine Herausforderung. Ich möchte diese Diskussion nicht vorausprojizieren, weil es überhaupt nicht sicher ist, dass diese gegenwärtig vorhandene besonders große Entschlossenheit, die ich jetzt sehe, auch zu einem Endergebnis kommt und sich tatsächlich die Situation ergibt, in der wir uns nicht an einen Gedanken, sondern an eine fertige Tatsache anpassen müssen.

Ich möchte also keine Diskussion vorausprojizieren, über die sich später herausstellen kann, dass das Leben sie gar nicht notwendig macht, jedoch kann es nicht schaden, wenn jene, die gerne im Voraus denken, schon Überlegungen darüber anstellen, was in solch einer Situation das ungarische Interesse wäre. Wie könnten wir das ungarische Interesse definieren? Uns an solch eine, eine gemeinsame Währung benutzende und die wichtigsten Elemente der nationalen Souveränität aufgebende europäische Einheit, europäische Entität anzuschließen, oder lieber außerhalb der Eurozone verbleibend auch weiterhin eine selbständige Wirtschaftspolitik und eine, all ihre Konsequenzen nach sich ziehende, selbständige nationale Politik zu verfolgen? Dies wird eine der großen intellektuellen Herausforderungen, eine der spannenden Diskussionen der nächsten Jahre sein. Ich selbst möchte in dieser Frage auch keine Stellung nehmen, sondern nur mit lakonischer Kürze anmerken und uns daran erinnern, dass laut der ungarischen Verfassung das Zahlungsmittel der ungarischen Wirtschaft der Forint ist, und zur Modifizierung der ungarischen Verfassung im Parlament eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist. Was zeigt, dass wenn diese Frage, sollte es überhaupt solch eine Frage geben, die die Geschichte uns an die Brust setzt, beantwortet werden muss, dann muss diese Antwort auf Grundlage der nationalen Einheit entstehen, denn ein mit Zweidrittelmehrheit verabschiedetes Parlamentsgesetz und eine ebensolche Modifizierung der Verfassung wären notwendig, damit die ungarische Nation diesen Pfad betritt.

Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Mit dieser Frage hängt auch eine andere Dimension der inneren Verfassung der Europäischen Union zusammen, die ich gestern auf die Formel gebracht habe, dass es die Unionisten und die Souveränisten innerhalb der Europäischen Union gibt. Tatsächlich sind dies heute Dinge geistiger Natur. Ich rede jetzt nicht über außenpolitische Richtungen, sondern über Dinge geistiger Natur, die den Hintergrund für außenpolitische Richtungen bilden. Es gibt also eine Denkrichtung in der Europäischen Union – auch in Ungarn besitzt sie Vertreter –, nicht nur in der Politik, sondern auch in dem geistigen Raum hinter der Politik, die sagen, die Errichtung der Vereinigten Staaten von Europa sei kein Teufelswerk, das ist ein Ziel, das real gesteckt werden kann, warum sollten wir auch nicht diesem Kurs folgen? Und es gibt eine andere Richtung, uns selbst zähle ich hierzu, die sagt, immer nur schön langsam, es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht, und ich könnte noch einige ungarische Volksweisheiten darüber anführen, dass so etwas nicht überstürzt werden sollte, oder führen wie die italienische Weisheit an: lassen wir auch dem Leben etwas Raum, es wird es schon selbst entscheiden, nicht wir müssen ständig alles durchführen. Es gibt also auch eine solche Herangehensweise, nach der man vorsichtig sein, und sich lieber darauf stützen sollte, was man kennt, was wir wissen, worauf wir auf festem Grund stehen können; und dies ist die nach Souveränität strebende ungarische Außenpolitik.

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Ich möchte hiernach noch einiges zu Mitteleuropa sagen. Das größte Dilemma der Unionisten und der Kerneuropa ins Leben rufen wollenden führenden europäischen Politiker stellt die Beantwortung der Frage dar, wie es sein kann, dass während es der Sinn der Integration ist, die Nationen zu stärken, ihre Wirtschaftsleistung zu erhöhen, ihr Potential und ihre Leistung zu vergrößern, wie kann es dann sein, dass das Wirtschaftswachstum der zur Eurozone gehörenden Länder bei weitem hinter dem Wirtschaftswachstum jener Länder zurückbleibt, die nicht zur Eurozone gehören? Und dem ist so von Großbritannien bis Mitteleuropa. Ich könnte auch sagen, mit europäischem Maß gemessen geht es denen gut, die nicht in der Eurozone sind, und die, die drin sind, stagnieren. Und hier erscheint Mitteleuropa im Bild, selbst dann, wenn im Übrigen Pressburg Teil der Eurozone ist. Die Sache liegt so, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dieses Dilemma, über das ich vorhin gesprochen habe, im folgenden Zeitraum nicht nur am geistigen Horizont der ungarischen Nation erscheinen wird, sondern am geistigen Horizont ganz Mitteleuropas. Auch Mitteleuropa muss sich mit der Frage beschäftigen, sich selbst in diesem in Veränderung begriffenen europäischen Raum neu zu definieren. Deshalb messen wir jener übrigens nur als Minusnachricht, als Nachricht in den Fußnoten bezeichnenden Nachricht – das heißt unter normalen Umständen Minusnachricht und Nachricht in den Fußnoten – große Bedeutung zu, dass die Visegrád-Staaten beschlossen haben, das 25. Jahr des Bestehens der Visegrád-Zusammenarbeit auf die Weise zu feiern, indem sie eine mitteleuropäische Diskussion darüber initiieren, was wir im Grunde über Europa denken. Was denken die Mitteleuropäer letztlich darüber, wo wir angekommen sind, und wo die Zukunft Mitteleuropas in diesem Raum sein soll, wie es seine Zukunft bestimmen soll?

Dies wird eine ein ganzes Jahr dauernde Konferenz- und Diskussionsreihe sein. Wir hoffen auf spannende Vorträge, Bücher, Veröffentlichungen und auch auf im politischen Sinne nutzbaren Ergebnisse. Jedenfalls möchte ich deutlich machen, dass Mitteleuropa jene Periode betreten hat, in der es deutlich erkennbar in der Lage ist, auf eigenen Füßen zu stehen, sich selbst definieren kann. Gerade mit dem Herrn Außenminister habe ich vor kurzem darüber gesprochen, dass heutzutage zwei ungarische Städte im internationalen diplomatischen Leben bekannt sind: Budapest und Visegrád. Sofern wir hierbei an das ungarische Visegrád denken, was wir selbstverständlich tun, denn die Visegrád-Staaten, das heißt die Zusammenarbeit der erfolgreichen mitteleuropäischen Länder ist eine international anerkannte Tatsache, deren organisatorischer Ausdruck ist ein akzeptierter, wichtiger Referenzpunkt und eine Ressource für die ungarische Diplomatie. Dies unterstreicht im Nachhinein noch die Weisheit von József Antall und seiner Mitstreiter, denn wer hätte damals, ganz zum Anfang der neunziger Jahre gedacht, dass drei – damals waren wir erst zu dritt, dann sind wir erst vier geworden –, drei, vier Länder, die damals gerade um das Überleben kämpften, gerade sich ihr Recht zur Existenz in der neuen Weltordnung nach dem Kalten Krieg zu erstreiten versuchten. Also drei bzw. vier solche Länder taten sich zusammen, und zwanzig-ein-Paar Jahre später ist diese Ländergruppe ein bedeutender Faktor innerhalb der europäischen Politik, und da dies dort bedeutend ist, ist es auch eine im globalen Zusammenhang deutbare Rolle, die in vielen Fällen nicht umgangen werden kann. Dies ist eine schöne diplomatische Leistung. Also wenn einmal die Zeit gekommen sein wird, und wir, sagen wir, die Leistung des ungarischen Außenministeriums nicht anhand der aktuellen Exportziffern messen, sondern uns einen historischen Horizont und eine historische Dimension erlauben, dann werden wir sagen können, hier stehen wir einem der größten Erfolge der Geschichte der ungarischen Diplomatie gegenüber. Wir haben an einer Initiative teilgenommen, ja wir waren sogar selber Initiatoren dieser, selbst dann, wenn es um den Tisch herum damals eine kleine Rempelei gab, wenn Sie sich an unsere kleine ungarische Geschichte erinnern, ob denn nun der Staatspräsident oder der Ministerpräsident unterzeichnen muss. Nicht wahr, letztlich sind wir doch Ungarn, selbst wenn welche mit Hirn, so können wir doch in unseren zivilisatorischen Verhaltensweisen nicht immer unsere uns vorauseilenden Gedanken einholen, so ist es auch dort geschehen. Doch alles in allem können wir doch sagen, dass die Schaffung der V4 ein großartiger, auch vor historischem Horizont deutbarer Erfolg und eine Leistung der ungarischen Diplomatie ist. Ich habe aus dem Grunde hierüber so lange gesprochen, weil ich möchte, dass auch Sie den Wert hiervon spüren, dass auch Sie es hochschätzen, wenn auch Sie in Ihrer Arbeit den Umstand benutzen würden, dass es hier in Mitteleuropa eine Kooperation gibt, die heute innerhalb der Europäischen Union für keine einzige andere Ländergruppe charakteristisch ist, und wir wissen nicht genau welche, aber irgendeine Bedeutung wird dies sicherlich auch in den Diskussionen über die Zukunft Europas haben.

Erlauben Sie mir hiernach noch kurz einige Worte über das Verhältnis zu sagen, das wir zu unseren Nachbarstaaten ausgebildet haben. Über die Slowakei sage ich aus dem Grunde nichts, weil es dort Wahlkampf geben wird, an dem ich nicht teilnehmen möchte, wenn dies auch selten unsere eigene Entscheidung ist. Und ich erinnere mich als an einen der herausragenden Momente meiner eigenen außenpolitischen Tätigkeit an jenen Augenblick, als wir noch in der Opposition zusammen mit unserem Freund Pali Csáky an der Brücke in Esztergom [Gran] und einer Menge von nicht mehr als fünfzig bis siebzig jungen, mit ihrer Familie gekommenen, die Kinderwagen vor sich her schiebenden Ungarn in Vorbereitung auf die Europawahl einen gemeinsamen kleinen – wie muss man das jetzt sagen? – Flashmob durchführten, eine Performance – wie hatte es Csaba Hende doch ausgedrückt? –, eine Blödelei, ja. Also wir sind dort zusammengekommen und haben alles Mögliche gesagt, das zur Folge hatte, dass anderntags das slowakische Parlament nur deshalb zu einer Sondersitzung einberufen wurde, und wir konnten feurige Reden hören, und dann wurde das ganze auch in einem Buch veröffentlicht. Ich glaube, ähnlich der Zusammenarbeit der Visegráder 4 ist auch dies ein großes Bravourstück der ungarischen Außenpolitik, wir sind auch aus der Opposition heraus hierzu fähig. Meiner Ansicht nach lohnt es sich einige Tage vor der Wahl nicht, diese alten Erinnerungen wachzurufen. Also würde ich über die Slowakei lieber nichts sagen. Ich würde nur das sagen, oder höchstens soviel sagen, dass unsere Beziehungen zur Slowakei gegenwärtig geordnet sind, und es ist schon sehr lange her, dass es eine Situation in den slowakisch-ungarischen Beziehungen, damit ich ganz genau bin, in den tschechoslowakisch-ungarischen Beziehungen gegeben hat, wenn wir schon von früher sprechen, von der zeitlichen Dimension, es ist schon sehr lange her, dass wir einander als berechenbare Partner im Rahmen einer Integration betrachten konnten, die stärker als wir ist. Selbst in der Welt der Sowjetunion oder des Friedenslagers – oder wie muss man das sagen –, in der des damaligen Warschauer Paktes konnten wir nicht so gut mit den Tschechoslowaken zusammenarbeiten, wie wir jetzt im Rahmen der Europäischen Union zusammenarbeiten können. Dies ist ein historisch seltener und wertvoller Augenblick, wenn es möglich ist, sollten wir ihn bewahren. Wir sollten dies auch dann als Wert ansehen, wenn diese gegenseitige Zuverlässigkeit und Zusammenarbeit nicht auf der Grundlage der Regelung der für uns ansonsten so wichtigen Nationalitätenfrage entstanden ist. Denn sie ist nicht auf ihrer Grundlage entstanden, sondern vielmehr hat die wirtschaftliche Kooperation hierfür die Grundlage geliefert, und es gibt hier noch einige Dinge, die wir dann noch werden regeln und im Späteren mit unseren slowakischen Freunden diskutieren müssen.

In Rumänien ist die Lage eine viel schwierigere. Ich versuche so vorsichtig zu formulieren, wie es nur möglich ist. Ich habe den Eindruck, dass wir dort angesichts des Standes der Dinge einen unter dem Deckmantel der Rechtsstaatlichkeit, der Legalität und des Kampfes gegen die Korruption in Wirklichkeit einen gegen ungarische Politiker gerichteten Feldzug registrieren müssen. Uns freut dies nicht. Wir haben den Eindruck, dass es hierbei nicht einfach nur um die Durchsetzung der rechtsstaatlichen Prinzipien geht, sondern auch darum, die politischen Führer der ungarischen Minderheit in den Hintergrund zu drängen. Und dies werden wir dann auch in entsprechender Form und mit entsprechendem Nachdruck zur Sprache bringen müssen. In der Gegend ist es um die Dinge also aus ungarischer Sicht nicht gut bestellt.

Demgegenüber können wir mit den Serben eine ausgewogene Zusammenarbeit registrieren, wir hatten auch ein Gipfeltreffen auf Regierungsebene gehabt, sie waren hier bei uns in Budapest. Die Notwendigkeit kann auch Freundschaften entstehen lassen. Es ist offensichtlich, dass beide Länder aufeinander angewiesen sind. Wegen der Ereignisse auf dem Balkan werde ich jetzt nicht anführen, wie und warum wir sie brauchen. Es ist allgemein bekannt, dass nach verschiedenen Schätzungen etwa 300 Tausend unserer Ungarn in den Südgebieten bzw. in Serbien leben, wir blicken also auch ein bisschen auf uns selbst, wenn wir sie ansehen. Und auch sie brauchen Ungarn, denn die gegenwärtigen Ereignisse liefern aus serbischer Sicht dafür einen Beweis, mit welcher Verletzbarkeit und mit welchen Schwierigkeiten es verbunden ist, wenn jemand nicht Teil der Europäischen Union ist, und zugleich solchen Herausforderungen anusgesetzt ist, wie Serbien es heute ist. Und wir unterstützen offensichtlich den Beitritt Serbiens zur Europäischen Union, so wie wir dies im Übrigen auch im Falle von Kroatien getan hatten.

Des Landes, mit dem wir unsere Beziehungen gegenwärtig zu ordnen versuchen. Das ist keine einfache Aufgabe. Das Gewebe dieser Beziehungen ist heute beschädigt. Obwohl ich – vielleicht von der polnisch-ungarischen Freundschaft abgesehen – kein anderes derart enges Zusammenleben und ein Gefühl der Brüderlichkeit zwischen europäischen Staaten nennen kann, wie dies zwischen den Kroaten und den Ungarn besteht. Jetzt will ich anderes, tiefere genetische Abstammung und andere Fragen gar nicht hierher holend denn obwohl wir von Slawen sprechen, können wir trotzdem aufgrund der Ergebnisse moderner Forschungen ruhig sagen, dass diese beiden Volkselemente sich viel stärker als im Allgemeinen angenommen worden ist, vermischt, Kontakt miteinander gehabt hat, und deshalb können wir viel eher einander so betrachten, wie der Mensch seine tatsächlichen Geschwister ansieht. Also ist die Situation gegeben. Alle anthropologischen, historischen und politischen Grundlagen eines guten kroatisch-ungarischen Verhältnisses wären vorhanden, trotzdem ist dieses Gewebe in den vergangenen Jahren beschädigt worden. Es ist ein schwacher Trost, dass wir hierfür nichts können, es ist ein schwacher Trost, dass die Beschädigung nicht derart tief zu sein scheint, als dass sie nicht repariert werden könnte, doch wird es nicht leicht sein. Weil es nicht nur darum geht, dass unsere Freunde uns hässliche Dinge an den Kopf geworfen haben. So etwas kommt auch zwischen den besten Freunden vor, horribile dictu, wie ich das erwähnt habe, auch noch in den besten Familien. Warum könnte dies nicht auch in den kroatisch-ungarischen Beziehungen vorkommen? Ein größeres Problem stellt aber dar, dass inzwischen die Zeit vergangen ist, und zahlreiche strategische Entscheidungen, die wir gemeinsam mit den Kroaten hätten treffen und gemeinsam mit ihnen verwirklichen müssen, jetzt in anderen Relationen geschehen sind. Für uns war es immer wichtig, dass von Süden, aus der Richtung von Kroatien Energiesysteme, Pipelines nach Ungarn führen. Wir hatten gedacht, dies würde der Punkt sein, wo Ungarn aus der Situation ausbricht, dass wir nur aus Russland, aus der östlichen Richtung in der Lage sind, Gas nach Ungarn zu holen. Im Vergleich dazu ist die Lage inzwischen die, dass wir die Leitung mit den Slowaken gebaut haben, also wenn wir wollen, sind wir in der Lage, durch jenes Leitungssystem unabhängig von den Kroaten Moleküle nicht russischer Herkunft in das ungarische Gassystem hereinzutransportieren. Und wir stehen in vorangeschrittenen Verhandlungen mit den Polen darüber, dass wir zumindest für die Dauer eines technischen Experiments uns anschauen, ob wir aus dem bei ihnen gebauten LNG in der Lage sind, Erdgas nach Mitteleuropa zu holen. Die Zeit ist also vergangen, doch ist die gemeinsame kroatische Investition nicht unwesentlich. Dies könnte auch weiterhin einen Sinn haben, doch ist es bei weitem nicht mehr so dringend, wie es früher gewesen war. Ähnlicherweise: Vielleicht erinnern Sie sich daran, es ist ein zurückkehrendes Dilemma des ungarischen Außenhandels, welcher Meeresausgang wirklich unserer ist, denn einen Ausgang zum Meer muss es geben. Ein Land, welches aufgrund seiner Größe, wie ich das erwähnt habe, zum Außenhandel verurteilt ist, darf sich nicht von der Möglichkeit des Seehandels verschließen, und zu diesem ist ein Ausgang nötig. Es ergeben sich immer zwei Möglichkeiten. Fiume, das heutzutage Rijeka heißt, und Koper. Wir haben übrigens auch schon früher, während unserer ersten Regierungszeit versucht, auf das kroatische Pferd zu setzen, da dies aber unmöglich geworden war, ist dies von der anderen Möglichkeit, der Zusammenarbeit mit den Slowenen überholt worden. Und die Zusammenarbeit mit ihnen scheint heute tiefer zu sein, die dort erreichbaren geschäftlichen Vereinbarungen befinden sich heute in greifbarerer Nähe als jene Vereinbarungen gleichen Inhalts, die wir mit den Kroaten schließen könnten. Und die Lage ist die gleiche im Falle des Schienenverkehrs. Ich hätte nie gedacht, dass die Hochgeschwindigkeitseisenbahnlinie Belgrad-Budapest, die auch für den Transportverkehr geeignet ist, früher gebaut wird, als dass die Bahnlinie Zagrab-Budapest erneuert worden wäre, jedoch haben sich die Prioritäten eindeutig geändert. Also während wir natürlich an der Wiedererrichtung der kroatischen Beziehungen interessiert sind, kann man die vergangenen fünf Jahre nicht ungeschehen machen, und auch in der ungarischen Außenpolitik sind neue Prioritäten und neue Gesichtspunkte erschienen.

Über Slowenien habe ich schon gesprochen. Ich muss sagen, dies ist eine vernachlässigte Relation der ungarischen Außenpolitik. Sie sind meiner Ansicht nach ein kälteres Volk als wir, Ungarn, es sind, natürlich auch schon aus geographischen Gründen. Es reicht aus, sich einen ungarischen Csardas und einen slowenischen Volkstanz anzuschauen – man kann also die Unterschiede sehen. Ich sage dies aus dem Grunde, weil ich unlängst beide nacheinander im Rahmen eines kulturellen Ereignisses in Lendva (Lindau) gesehen habe. Man sieht also gleich, dass es nicht so einfach ist, diese beiden Völker miteinander auf einen gleichen Nenner zu bringen, in einer gemeinsamen Klangwelt zu vereinigen, doch ist dies auch nicht unmöglich. Und unsere gegenwärtige Zusammenarbeit und jenes äußere Übel, das uns beide bedroht, haben die beiden Länder einander näher gebracht, und ich kann ruhig sagen, dass ich mich nicht daran erinnern kann, dass die slowenisch-ungarischen Beziehungen so gut gewesen, ihre Dimensionen sich auf die Weise vertieft hätten, und die gegenseitige Absicht zu einer Übereinkunft, der gute Wille, die Suche nach den gegenseitigen Vorteilen jemals in dem Maße dieses Verbindungssystem beherrscht hätte, wie es gerade in unseren Tagen der Fall ist. Sodass wir ernsthafte Hoffnungen an die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Slowenen knüpfen können. Schließlich handelt es sich um ein reiches, intelligentes, wohlhabendes Land, das über eine Wirtschaft mit guter Struktur verfügt.

Und selbstverständlich können wir auch nicht umhin, einige Worte über die Ukraine zu sagen. Wenn wir über die Ukraine sprechen, dann denken wir natürlich an Russland. Dies gehört schon einmal zu den Traditionen der ungarischen Außenpolitik, wo wir unserem Zweifel Ausdruck verleihen müssen, denn vorerst sehen wir nicht, wie aus dem für uns so wichtigen Nachbarn, der Ukraine, ein über eine westliche Wirtschaftsstruktur verfügender, in den europäischen Wirtschaftsraum sich einfügender Rechtsstaat wird, der in der Lage ist, auf den eigenen Beinen zu stehen. Wir drücken die Daumen, dass dies geschehen soll, wir hätten es gerne, wenn dies aufgebaut werden würde, doch vorerst sehen wir nicht, wo sich der Zeithorizont hierfür hinzieht, wann dies eintreten wird. Gestern habe ich auch darüber gesprochen, dass es nicht schadet, wenn man das, was ist, von dem trennt, von dem man möchte, dass es sei. Diese Feststellung ist auch hinsichtlich der Ukraine wahr. Jedenfalls möchte ich jene These, eine der wichtigsten nationalstrategischen und sicherheitspolitischen Thesen der ungarischen Außenpolitik wiederholen und Sie auf diese aufmerksam machen, die lautet, zwischen Russland und Ungarn muss immer etwas liegen. Sie können es auch Ukraine nennen. Das Wesentliche ist, dass der ungarische Gesichtspunkt lautet, dass wir keine gemeinsamen Grenzen mit Russland haben sollten, und es einen physischen Raum zwischen den beiden Ländern geben soll, der – ich sage nicht „gegenseitig“, denn der Floh soll dem Elefanten keine Ratschläge erteilen und auch gar nicht in dessen Dimensionen sprechen – uns aufgrund der Entfernung ein Gefühl der Sicherheit gibt. Dies ist sowohl durch die Geschichte als auch durch die militärische Kraft, das militärische Gewicht der beiden Länder begründet, das heißt diesen ungarischen Gesichtspunkt und diese ungarische außenpolitische Bestrebung. Wir sind daran interessiert, dass die Ukraine zurecht kommt, zugleich sind wir aber nicht daran interessiert, dass wegen der Ukraine Ungarn in eine antirussische internationale Koalition hineingezerrt werde. Man kann sich nicht immer seinen Platz in solchen Koalitionen aussuchen.

Zweifellos stehen wir unter großem Druck, weil es viele Seiten gibt, die ihre eigenen Interessen auf die Weise identifizieren, dass ihren Interessen aber entspricht, dass eine antirussische internationale Koalition entstehe. Dies habe ich auch gestern gesagt, dies ist nicht unser Weg, dies ist nicht unsere Politik, und dies ist nicht unser Interesse. Zugleich möchte ich deutlich machen, dass die Lage insofern einfacher ist als sie es früher war, dass es zumindest ein Minsker Abkommen gibt, das einen festen Punkt bedeutet, soweit die Konturen solch einer internationalen Vereinbarung sicher sein können, jedoch existiert ein durch die miteinander in Konflikt stehenden Parteien, das heißt durch die Ukraine und Russland unterzeichnetes und akzeptiertes internationales Dokument, namentlich das Minsker Abkommen. Dieses besitzt einen Aktionsplan, der vollstreckt werden muss, und aufgrund dessen wir in diesen Fragen Stellung nehmen können, welche Seite bis zu welchem Maß diesen erfüllt hat. Und hierin gibt es dann auch keine Voreingenommenheit, darin gibt es keinen nationalen Gesichtspunkt, darin gibt es nur eine einzige Sache: Wenn es eine Vereinbarung gibt, dann muss diese eingehalten werden, schauen wir uns an, wer in welchem Maße diese eingehalten hat. Diese Debatte wird innerhalb der Europäischen Union auf die Tagesordnung gesetzt werden. Der italienische Ministerpräsident hat auch keinen Zweifel darüber gelassen, dass wir ernsthaft diskutieren müssen, an welchem Punkt die Durchführung des Minsker Abkommens steht, was bedeutet, dass am Ende des die erste Hälfte des Jahres abschließenden Zeitraums innerhalb der Union mit einer ernsthaften Diskussion in der Sache der Durchführung des Minsker Abkommens gerechnet werden muss, das heißt es wird keine automatische Verlängerung der Sanktionen gegenüber Russland geben. Ganz gleich zu welchem Ergebnis wir auch kommen werden, jener Entscheidung muss eine kühle, ruhige, sachliche Analyse vorausgehen, in der es um das Minsker Abkommen gehen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das wäre in großem und ganzen mein einleitender Vortrag gewesen. Soviel würde ich vielleicht noch hinzufügen, dass Sie Ihre Arbeit in Ruhe verrichten können, in dem Maße jedenfalls wie in der ungarischen Geschichte ein ungarischer Diplomat seine Arbeit ruhig verrichten konnte, in dem Maße auf jeden Fall. Im Hinblick darauf, dass die Voraussetzung für die ruhige und ausgewogene außenpolitische Arbeit ist, dass der Diplomat ein ruhiges und ausgewogenes Hinterland haben soll. In dieser Hinsicht stehen Sie heute gut da. Zum Teil ist – wie Sie das haben hören können – das Prestige des Ministeriums  innerhalb der Regierung hoch. Für einen jeden ist es offenkundig, dass das Außenpolitik kein Zeitvertreib ist, sondern einer der Schlüsselakteure der ungarischen wirtschaftspolitischen Strategie. Auf diese Weise sind auch Sie die Schlüsselakteure dessen. Die Unterstützung, die für den Erfolg der Angelegenheiten des Äußeren notwendig sind, ist also innerhalb der Regierung auch weiterhin gegeben. Unsere Haushaltszahlen können Sie ja sehen. Vor etwa ein-zwei Jahren konnte man Dinge aus dem Umfeld der ungarischen Wirtschaftspolitik hören, die damals wie aus einem Fiebertraum zu stammen schienen, wie den Nullhaushalt, worunter man nicht verstehen muss, ohne die Staatsverschuldung sei es ein Nullhaushalt, sondern zusammen mit der Staatsverschuldung ein Nullhaushalt. Ob es uns jetzt gelingen wird, dies zu erreichen, oder nicht, das ist eine andere Sache, aber an sich, dass dies am Horizont erschienen ist, zeigt schon sehr gut, dass die ungarische Wirtschaft recht stabil ist, seine finanziellen Zustände ausgewogen. Oder wie Sie das zuletzt hören konnten, ich spreche vom Verhältnis der Senkung der Staatsverschuldung innerhalb der Europäischen Union, nicht über absolute Zahlen, doch hinsichtlich des Verhältnisses leistet Ungarn am besten oder gehört jedenfalls zu den Besten. Was natürlich nicht bedeutet, dass die Dinge in Ordnung wären, denn eine Staatsverschuldung von 75-76 Prozent des Bruttonationaleinkommens ist noch kein Anlass zur großen Ruhe, doch ist es zweifelsohne wahr, dass während unsere abnimmt, die beinahe aller anderer steigt, und auch Länder, die viel stärker sind als wir, haben den Index von 100 Prozent überschritten. Hier stehen wir der Situation des „je kleiner, desto besser” gegenüber. Damit will ich Ihnen also sagen, dass das Hinterland sowohl hinsichtlich des Prestiges des Außenamtes innerhalb der Regierung als auch hinsichtlich der das Hinterland der Außenpolitik liefernden wirtschaftspolitischen Stabilität vorhanden ist. Und die Zusammenarbeit mit den Visegráder Vier gibt uns eine regionale Stabilität. Und da ich glaube, dass wir eine auf der Apothekenwaage abgewogene und sorgfältig aufgebaute nationale Strategie der Außenpolitik verfolgen, ist dessen Folge auch, dass die ungarische Außenpolitik und durch sie auch Ungarn heute Ansehen genießt. Die Respektiertheit in der Außenpolitik bedeutet nicht, dass man nur Gutes über uns sagt. Das ist noch nicht das Zeichen der Wertschätzung. Sondern nur Schlechtes. Auch dies ist nicht unbedingt ideal, es ist nicht sicher, ob es nötig ist, ins andere Extrem zu verfallen, doch ist allein der Umstand an sich, dass die Welt sich mit einem Land von Zehnmillionen innerhalb einer Integration von Fünfhundertmilliarden, überhaupt mit dessen Standpunkt, den von ihm erarbeiteten Gedanken und Vorschlägen substanziell beschäftigt, dies ist an sich schon eine ernsthafte Leistung und zeigt, dass Ihre Arbeit einen Sinn hat. Ich möchte Sie anspornen. Ich erwarte Ihre Vorschläge. Wir warten darauf, dass über den Herrn Außenminister die Gedanken unserer sich mit der Außenpolitik beschäftigenden Mitarbeiter hinsichtlich der Zukunft Ungarns und der ungarischen außenpolitischen Strategie in immer größerer Zahl und in immer ernsthafterer Tiefe auf den Tisch der Gestalter der Regierungsstrategie ankommen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! Ich gratuliere Ihnen zu der ausgezeichneten Arbeit, die Sie im vergangenen Jahr geleistet haben!

miniszterelnok.hu

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On Saturday morning, Prime Minister Viktor Orbán received President of Poland Andrzej Duda in Parliament.
In answer to questions from foreign journalists in Brussels on Friday, the second day of the summit of the European Union’s heads of state and government, Prime Minister Viktor Orbán said that Hungary does not like double standards, and therefore does not support them being applied to anyone, including Poland.
At a press conference in Brussels on Friday afternoon, in which he evaluated the agreement between the European Union and Turkey, Prime Minister Viktor Orbán said that Hungarian diplomacy has achieved its goals.
  • Viktor Orbán, 52
  • Lawyer, graduated at Eötvös Loránd University and studied at Pembroke College, Oxford
  • Married to Anikó Lévai
  • They have five children: Ráhel, Gáspár, Sára, Róza, Flóra
  • Chairman of FIDESZ, vice-chairman of the European People's Party

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